Prolog

Irrtumsvorbehalt

Folgender Präfix müsste vor fast jedem Satz stehen, in dem ich etwas synthetisches über die Welt aussage:

"Nach meinem vorläufigen Erkenntnisstand sowie unter strenger Beachtung des fallibilistischen Vorbehaltes, nach dem es bislang keine absolute Gewissheit oder Letztbegründung geben kann, lässt sich meines Erachtens gegenwärtig sagen, dass..."

Aus leicht nachvollziehbaren Gründen will das wohl niemand lesen. Lässt man diese Einschränkungen jedoch weg, um den Lesefluss nicht unerheblich zu fördern, eröffnet dies auch gleich eine offene Flanke für diverse Anklagen: So könnte etwa ein eklatanter Mangel an Selbstzweifeln in Tateinheit mit der ungerechtfertigten Verkündung ewiger Wahrheiten oder die bloße Offenbarung einer inbrünstigen Gläubigkeit bemängelt werden. Derartige Einwände lassen sich praktisch immer erheben, da pyrrhonische Skepsis letztlich immer möglich ist, wenn auch solche Angriffe in der Praxis eher bei geisteswissenschaftlichen Themen stattfinden.

Für meine Beiträge gilt daher generell die folgende Präambel:

  1. Alle Sätze, die ich schreibe, stellen meine Meinung dar.
  2. Andere Menschen dürfen selbstredend anderer Ansicht sein.
  3. Eine Letztbegründung von synthetischen Aussagen über die Welt gelang bisher anscheinend noch nicht.
  4. D.h. es ließ sich noch keine Aussage über die Welt streng als wahr beweisen.
  5. Daher müssen vorläufig alle Aussagen über die Welt für revidierbar gehalten werden.
  6. Wegen unterschiedlicher Evidenzen scheinen aber nicht alle Aussagen über die Welt gleich plausibel zu sein.
  7. Quantitative Aussagen über die Welt können graduell verschieden adäquat sein.
  8. Kandidaten für wahre Aussagen über die Welt kann es durchaus geben.

Diskurs

Somit scheint es unvermeidlich, darüber zu disputieren, welches die besten Konzepte, Hypothesen oder Theorien über die Welt sind. Auch hierfür seien einige Grundsätze aufgestellt:

  1. Relevante Sachkritik ist ein Geschenk.
  2. Die beste Kritik von Konzepten, Hypothesen oder Theorien besteht darin, verbesserte Konzepte, Hypothesen oder Theorien vorzuschlagen.
  3. Kriterien für gute Theorien sollten kritisierbar sein.
  4. Kühne Theorien und möglichst strenge Prüfung sind zu bevorzugen.
  5. Es invalidiert eine Theorie nicht, wenn jemand an sie glaubt.
  6. Glaube hat selbstredend keine Beweiskraft.
  7. Partieller Skeptizismus ist nicht konsistent.
  8. Unterschiedliche Meinungen sind kein Problem.
  9. Nicht alle Meinungen sind interessant und müssen kommentiert werden.
  10. Alter, Neuheit oder Originalität einer These geben kaum Hinweise auf ihre Angemessenheit oder Plausibilität.
  11. Auch berühmte Personen können sich gelegentlich irren.
  12. Ad-personam-Attacken sind meist ein Indiz für fehlende Sachargumente.
  13. Wer ausdauernd nach Begriffsdefinitionen fragt, gewinnt wegen des infiniten Regresses immer.
  14. Leben und leben lassen erscheint wünschenswert.
  15. Konzepte, Hypothesen oder Theorien dürfen dennoch kritisiert werden.
  16. Ohne eine gewisse Wehrhaftigkeit ("Tit for Tat") kommt man in der Welt aber offenbar nicht aus.