Ich schrieb: "Beim autonom sich im Raum bewegenden Roboter wird es interessant: Wie lässt es sich im Rahmen der kantischen Theorie erklären oder erläutern, dass ein Roboter im Raum autonom navigieren kann, wenn doch Raum nach Kant eine Anschauungsform des Subjekts ist?"
Hierauf wurde entgegnet:
Ich muß hier mal ein bißchen drastischer formulieren, damit ich den Kloß aus dem Halse kriege, der sich da zusammenballt, wenn ich solchen Stuß im Quadrat lese ...
Inhaltlich ging es hier nur darum, ob es plausibel ist, dass die (reale) Außenwelt nicht doch räumlich strukturiert ist. Wenn alleine diese Vorstellung bereits zum Nervenkollaps führen kann, ist es sicher kontraindiziert, an einem Disput über dieses Thema teilzunehmen.
Wie kommst du denn auf den äußerst abseitigen Gedanken, ein Roboter "navigiere autonom im Raum"?
Dieser "äußerst abseitige Gedanke" wird von fast allen Roboterkonstrukteuren geteilt. Damit kann der Gedanke aber nicht "abseitig" sein im Sinne von "ausgefallen" oder "dem Üblichen bzw. Normalen nicht entsprechend" (Duden). Der Gedanke gehört eher zum Mainstream. Nun bleibt noch die Frage übrig, was dafür oder dagegen spricht, dass Roboter "autonom im Raum navigieren."
Im Rahmen diverser KI-Projekte spielen Roboter selbstständig Fußball1. Hierbei reicht die sog. schwache künstliche Intelligenz2 völlig aus. Fußballspielen ist deutlich komplexer als einfache Navigation. Es gibt auch Robotersumo3.
Die Vokabeln "agieren" und "autonom" sind in diesem Zusammenhang tatsächlich gebräuchlich. "Autonom" bedeutet, dass der Roboter während des Spiels ohne menschlichen Eingriff arbeitet. Es seien einige Belege zum Sprachgebrauch zitiert:
- "Die Roboter agieren dabei autonom, sie werden während des Kampfes nicht ferngesteuert."4
- "Die Roboter in dieser Liga sind gegenüber der Small Size autonom und verfügen über eigene Sensoren."5,
- "Die Roboter müssen vollständig autonom sein."6
- "Als autonome mobile Roboter werden Roboter bezeichnet, die sich in ihrer Umgebung selbständig bewegen und agieren können."7
HerrJe! Welchen Raum meinst du denn? Den des Roboters? -- Woher (um alles in der Welt!) sollte denn ein Roboter "einen Raum" (ein entsprechendes Konzept und dazugehörige Empfindungen) haben?
Diesen Einwand nenne ich These a. Weiteres siehe unten.
Er navigiert aufgrund der menschlichen Raumvorstellungen und -konzepte, denn diese sind ihm einprogrammiert! Warum ist dir denn diese doch nun wirklich ziemlich einfache Überlegung nicht geläufig?!
Nun folgt These b. Weiteres siehe unten.
Du lallst hier dauernd über irgendwelche Maschinen und Automaten, als seien das autonom agierende Subjekte
Hier entnehme ich These c.
"Lallen" ist mal wieder eine Unverschämtheit. Der Verfasser konnte es einfach nicht lassen! :-)
und tust dabei so, als wäre nicht vollkommen evident, sie seien von Menschen für deren Zwecke gebaut und deshalb würden ihre Mechanismen und Algorithmen auch nach deren Maßgaben ausgelegt sein!
Mit d und e haben wir nun folgende Thesen:
a) Roboter besitzen kein eigenes Raumkonzept nebst der dazugehörigen Empfindungen.
Kommentar: Dem stimme ich zu. Roboter verfügen sicher nicht über ein räumliches Anschauungsvermögen, wie es Kant Menschen zuschreibt. Fußball spielende Roboter brauchen demnach offenbar kein eigenes Raumkonzept nebst der dazugehörigen Empfindungen. Für ihre Funktion reichen vielmehr physisch implementierte Mechanismen aus.
b) Roboter navigieren aufgrund einprogrammierter menschlicher Raumvorstellungen und -konzepte.
Kommentar: Die Mechanismen, welche Robotern eine räumliche Orientierung ermöglichen, sind zwar von Menschen entwickelt; menschliche Raumvorstellungen lassen sich aber sicher nicht direkt einprogrammieren, da sich Roboter und Menschen grundlegend unterscheiden.
c) Roboter sind keine autonom agierenden Subjekte.
Kommentar: Da es sicher unstrittig ist, dass Roboter nicht als lebendige Subjekte aufzufassen sind, könnte mit dieser These gemeint sein, dass grundsätzlich nur Subjekte autonom agieren können. Anders gesagt, es wird postuliert, dass unbewusstes autonomes Agieren unmöglich ist. Es leuchtet aber nicht ein, warum eigendynamisches, selbstständiges Verhalten zwingend an Bewusstsein gekoppelt sein müsste. Wenn ein physisches Objekt mittels innerer Mechanismen und eigener Energieversorgung relativ komplexe Aufgaben wie z.B. Fußballspielen vollbringt, kann man sicher bereits von Eigendynamik sprechen. In Robotik-Wettbewerben wird autonomes Agieren übrigens explizit gefordert, z.B.: "Der Roboter muss autonom agieren, alle Bewegungen müssen selbständig durch das Programm gesteuert werden. Fernbedienungen sind nicht erlaubt."8 Dass es Somnambulismus9 gibt, nährt auch Zweifel daran, dass Bewusstsein eine notwendige Bedingung für die Fähigkeit zur autonomen Bewegung im Raum ist.
d) Roboter können nicht autonom agieren, da sie vom Menschen für einen bestimmten Zweck gebaut wurden.
Kommentar: Es ist nicht relevant, ob die Roboter von Menschen zum Zweck der KI-Forschung gebaut werden, sondern nur, dass sie tatsächlich autonom (und nicht etwa ferngesteuert) agieren können und dass hierfür gewisse Mechanismen genügen. Wenn Eltern ein Kind haben und hierbei den Zweck verfolgen, dass dieses Kind später den Betrieb fortführt, kommt auch niemand auf die Idee, diesem Nachkommen die Autonomie abzusprechen.
e) Roboter können nicht autonom agieren, da die bei den Robotern implementierten Mechanismen und Algorithmen nach menschlichen Maßgaben ausgelegt sind.
Kommentar: Warum sollte die Tatsache, dass die implementierten Mechanismen nach menschlichen Maßgaben ausgelegt sind, Eigendynamik verhindern? Die Roboter verfügen über eigene Sensoren und Aktoren sowie mechanismisch realisierte Reaktions- und Aktionsmuster. Das reicht, um den Ball ins Tor zu bringen. Es ist sicher auszuschließen, dass durch die "menschlichen Maßgaben" auch menschliches Anschauungsvermögen dupliziert wird.
Räumlichkeit ist nach Kant eine Form menschlicher Anschauung, die sich a priori aus der Struktur des menschlichen Wahrnehmungsapparats ergibt. Der realen Außenwelt der "Dinge an sich" schreibt Kant hingegen keine Räumlichkeit zu. Kurz: Außerhalb der menschlichen Vorstellung gibt es nach Kant keine Räumlichkeit und, wenn es sie gibt, ist sie völlig irrelevant, da völlig unerkennbar10.
Fußballspielen können Menschen nach Kant also aufgrund ihres räumlichen Anschauungsvermögens. Aber warum können es Roboter? Sicher spielen Menschen aktuell noch bedeutend besser Fußball als Roboter. In einigen anderen Disziplinen, wie Schach11, Jeopardy12, Go13, virtuellem Ameisenfußball14 oder StarCraft15 haben Roboter Menschen jedoch bereits geschlagen.
Beim Fußball ist das erst noch Ziel: "RoboCup hat als langfristiges Ziel gesetzt, im Jahr 2050 den menschlichen Weltmeister in einem gewöhnlichen Fußballspiel zu schlagen."16 Sicher kann es auch länger dauern. Einiges ist aber auch schon erreicht.
- Robo-Torwart schlägt Lionel Messi17.
- Atlas läuft in schwierigem Gelände, wird umgestoßen und steht wieder auf18.
Damit ist es sicher denkmöglich, dass Roboter irgendwann besser Fußball spielen als Menschen.
Angesichts dieser Fakten, scheint es mir äußerst unplausibel, der Außenwelt keinerlei Raumstruktur zuzuschreiben. Damit Roboter die bereits jetzt schon erreichten Leistungen eigendynamisch erbringen können, darf Räumlichkeit nicht nur eine menschliche Anschauungsform sein.
-
Roboter-Fußball im Studio bei 1LIVE, Dokumentation über die RoboCup German Open, Roboter Fußball vom RoboCup auf der Leipziger Spielemesse, "Roboterfußball" bei Wikipedia, RoboCup bei Wikipedia ↩︎
-
"Robotersumo" bei Wikipedia, Robotersumo-Turnier auf youtube.com ↩︎
-
Spielregeln bei first-lego-league.org ↩︎
-
"Somnambulismus" bei Wikipedia, "Homicidal sleepwalking" bei Wikipedia, Crime during Sleepwalking bei Wikipedia ↩︎
-
"AlphaGo" bei Wikipedia, "AlphaGo" bei heise.de, "AlphaGo Zero übertrumpft AlphaGo ohne menschliches Vorwissen" bei heise.de ↩︎
-
"Wie die DeepMind-KI AlphaStar Profispieler in StarCraft 2 besiegte", bei heise.de ↩︎
-
"Robo-Torwart" gegen Lionel Messi bei youtube.com ↩︎
-
"Roboter Atlas" bei youtube.com ↩︎