Nun werden alle Kernaussagen über Realität und Natur extrahiert:
Alles, restlos alles, was etwa mit dem Stempel "wissenschaftlich" versehen ist, entspringt genau dieser Art von Wirklichkeit. Wenn wir also darüber reden, etwa im Rahmen der Wahrnehmungspsychologie, wie Farben auf uns wirken oder im Rahmen der Optik und der Biologie, wie unser Farbensehen (zentralnervös betrachtet) entsteht, so reden wir nicht von der Realität (wir haben gar keine Ahnung, was "real vorgeht", wenn ein Farbeindruck qua Affektion entsteht), sondern wir reden dann über die Wirklichkeit des Farbensehens, also darüber, wie das unter heranziehen unserer Modelle erklärbar ist.
200: Wir haben keine Ahnung, was "real vorgeht".
Andersherum formuliert: Verfügten wir nicht über diese wirklichkeitsverbürgenden Modelle, könnten wir gar nichts erklären, weil es nämlich so ist, daß wir dann nichts in der Hand hätten, womit wir "etwas klar machen/erklären" könnten. Denn die Realität flüstert uns dazu nichts, gar nichts! Sie ist einfach wie sie ist.
201: Die Realität flüstert uns gar nichts.
202: Die Realität ist einfach wie sie ist.
Denn de facto ist es natürlich so, daß lediglich "in der Natur" eine solche Affektion keinerlei Bedeutung hat, weil dort schlicht alles Affektion ist (irgendwelche physikalischen Entitäten stehen halt im energetischen Austausch miteinander, es findet eine stete Kraft-, Form- und Konstellationsumwandlung statt (wie sie etwa die Chemie und die Physik explizieren). Dieser ungeheure universale Austausch von Kräften und Stoffen ist sich freilich selbst genug -- und deshalb ist dort ein Term wie Affektion denkbar fehl am Platze (dort geschieht ganz einfach, was chemo-physiklisch geschieht und damit basta!).
203: "In der Natur" ist alles Affektion. (Erläuterung: Physikalische Entitäten stehen im energetischen Austausch miteinander. Dies ist sich freilich selbst genug.)
Wenn gerade eben davon die Rede war, daß im Bereich des selbstgenügsamen Dassb ein steter Austausch, ein unendliches, auch unendlich komplexes Gewusel in Form von Affektionen und Austauschprozessen der Fall ist, so ist zugleich klar, daß keine begriffliche und vernunftgeleitete Analyse dem je Herrin werden könnte (sie hätte ja gar keinen point of view, um es zu überblicken, weil sie selbst ja immer -- ob ihrer Abhängigkeit von diesen Prozessen -- mittendrin eingelagert ist).
204: In der Realität ist ein unendlich komplexes Gewusel in Form von Affektionen der Fall.
Hinweis: Die Abkürzung "Dassb" bedeutet "Ding an sich selbst betrachtet" und steht für die subjektunabhängige Realität.
205: Eine vernunftgeleitete Analyse dieses Realitätsgewusels ist unmöglich, da kein Standpunkt verfügbar ist, von dem aus dieses Gewusel überblickt werden kann.
Es gäbe nichts weiter als das hyperkomplexe Wabern der Materie! Und das nun würde ein modernisierter Kantianismus dann als dessen Dassb ansprechen ...
206: Realität ist nichts weiter als ein hyperkomplexes Wabern der Materie.
207: In einem modernisierten Kantianismus entspricht dieses materielle Wabern dem kantischen Ding an sich.
D.h. einmal sehr primitiv (und bildlich) formuliert (bitte nicht wörtlich nehmen): Wir separieren in dem unendlichen komplexen Brei der Realität (hier wieder bildlich vorgestellt als das hochkomplex ineinander verschränkte Gewusel der Elementarteilchen/-wellen oder was auch immer) bestimmte Zusammenhänge (chem.-phys. determiniert/strukturiert und kausal miteinander verwoben in der Bewegung und Transformation); i.d.R. solche, die auf uns wirken (also unsere Umwelt bilden und damit Affektoren darstellen) und damit (für uns) Bedeutung zu entfalten vermögen.
208: Realität lässt sich metaphorisch vorstellen als hochkomplexes ineinander verschränktes Gewusel von Elementarteilchen, Wellen oder was auch immer.
Wir erkennen unsere Welt also als einen Sinnzusammenhang (genau das ermöglicht aber erst die Separation wie oben beschrieben -- das meiste, was Realität ausmachen könnte, "kommt uns überhaupt nicht vor die Linse"!; und käme es uns vor die Linse, würde der Sinn schnell flöten gehen). Hätten wir dagegen Zugriff auf die Realität, gäbe es keinen Sinn, weil keine Differenzierung stattfände. Die letzte Einlassung möge man auch vor dem Hintergrund der Forschung zur Wahrnehmung ernstnehmen, denn von dorther wird uns ja -- mit guten Gründen -- geflüstert, wir (bzw. angeblich unser Hirn) würden kollabieren, müßte alles verarbeitet werden, was "von außen" an signalträchtigen Affektionen auf uns einströme ...
209: Hätten Menschen Zugriff auf die Realität, gäbe es keinen Sinn, da wegen der fehlenden Symbolik (siehe 119) keine Differenzierung stattfände.
210: Das meiste, was Realität ausmachen könnte, "kommt uns überhaupt nicht vor die Linse".
211: Die mentalen Funktionen des Menschen müssten kollabieren, wenn alles verarbeitet werden müsste, was im Falle eines Realitätszugriffes "von außen" an signalträchtigen Affektionen auf uns einströmte.
Aber wie immer es auch darum stehen mag: In keinem Fall kann ein Szenario plausibel gemacht werden, das einen unmittelbaren Zugriff aufs Reale (i.S. Kants "Ding an sich selbst betrachtet") einsichtig machen könnte.
212: Es gibt keinen unmittelbaren Zugriff aufs Reale.